„Susi, du lernst Klavierspielen! Die Kinder von XY lernen auch Klavier. Mann, kaufe ein Klavier!“ So oder so ähnlich klang die Ansage meiner Mutter und zugegeben – mein Widerstand fiel gering aus, weil ich wusste, dass ich im Endeffekt stur genug war, das Projekt „Klavier“ zu torpedieren, sollte es nicht meinen Vorstellungen entsprechen. (Dieser Moment trat auch ein, soll heute aber nicht mein Thema sein :-))
Jeder kennt das – man liegt gemütlich auf dem Sofa und plötzlich kommen Erinnerungen ins Bewusstsein, die uns (ich bleib mal positiv) schmunzeln, lachen, grinsen oder analysieren lassen. Heute kam mir meine „alte“ Klavierlehrerin in den Sinn. Tatsächlich war sie damals wohl nicht alt – so um die 32 – aber für mich als 8-jähriges Mädchen steinalt! (Ich nenne Sie im Folgenden Frau B.)
An eine Situation kann ich mich besonders gut erinnern. Ich saß an Frau B.s Klavier, hatte (mal wieder) nicht geübt und verspielte mich ständig. Ein tiefes Seufzen bahnte sich den Weg durch der Klavierlehrerin Kehle. „Susi setz dich mal auf den Boden,“ sagte sie und verließ das Wohnzimmer. Brav nahm ich auf dem weißen Flokatiteppich Platz und harrte der Dinge, die da kämen. Frau B. kam mit einem DINA3 Block und Wachsmalkreiden zurück, legte beides vor mich auf den Boden, setzte sich zurück ans Klavier und sagte: „Male, was du hörst!“ „Was soll ich malen?“ „Was du hörst!“ Unsicherheit machte sich in mir breit. Während Frau B. sich zurechtruckelte und die Noten aufschlug, suchte mein Hirn krampfhaft nach einer Lösung. Sie fing an zu spielen (irgendetwas Klassisches, für mich damals Trauriges – heute sage ich dazu „Grabesmusik“ :-)) und ich begann zu verzweifeln. Ich entschloss, weil Noten schwarz sind und auf weißem Papier stehen, zur schwarzen Kreide zu greifen und begann „das was“ ich „hörte“ zu notieren. Dies erschien mir ein guter Plan zu sein. Je nachdem, ob ich hohe / tiefe Töne hörte, malte ich die Linie höher / tiefer. Bei langen Tönen wurde der Strich länger. Manchmal ging es mir etwas zu schnell und ich hinkte mit meiner Aufzeichnung hinterher. Vermutlich sah das Bild aus wie das EKG eines schwerst Herzkranken (Exitus vorauszusehen).
Frau B. drehte sich um und das entsetzte Gesicht werde ich wohl nie vergessen. Die Augen weit aufgerissen, starrte sie auf das Papier mit den schwarzen Zickzacklinien und schluckte. Dann fragte sie mich sanft: „Mehr fällt dir nicht ein?“. Ich schüttelte den Kopf. Was wollte sie denn noch? Hatte ich doch (gefühlt) fast alle Noten festgehalten. "Warte, ich spiele etwas anderes." Frisch voran ging die nächste Melodie, aber ich hatte keine Lust mehr auf das seltsame Spiel von Frau B. und malte nicht mehr.
Frau B. dachte zu dem Zeitpunkt sicher, sie habe ein schwerstgestörtes Kind vor sich sitzen. Tatsächlich hatte ich versucht,
ihrer - für mich - schwammigen Anweisung nachzukommen. Heute kann ich drüber herzhaft lachen, aber damals war das wirklich Stress. „Was will die Frau?“, dachte ich mir. Klar, jetzt weiß ich bzw.
nehme ich an, sie wollte Berge, Täler, Sonnenschein, …all das, was manchen Menschen nun mal einfällt, wenn sie Musik hören. Auf die melodische Analyse einer 8-Jährigen, die den Auftrag
wortwörtlich genommen hatte, war sie wohl nicht vorbereitet.
Und die Moral von der Geschicht‘ – unterschätze deine Formulierung nicht!
Wie oft kommunizieren wir ungenau, was wir uns von anderen wünschen und sind dann mit dem Resultat unzufrieden. Je präziser wir unseren Wunsch / unsere Aufgabe usw. ausdrücken, desto eher kann das Gegenüber danach handeln (wenn es will).
Kleiner Tipp für u.a. pädagogische Angebote: Formulieren Sie Ihre verfolgte Intention klar. Je detaillierter Sie schildern,
was-wie-warum ausgeführt werden soll, desto eher können Ihre Klienten oder die Kinder Sie verstehen und dementsprechend handeln. Unklare Kommunikation schafft Verwirrung und oftmals auch - wie im
Fall von Frau B. und mir - eine Störung der Beziehung.
Ich freue mich sehr über Ihre / eure Rückmeldungen zu Ihren / euren Angeboten oder Situationen, die Sie / ihr erlebt haben / habt. :-)
Liebe Grüße und einen guten Start in die neue Woche, ... and keep in mind: Nobody is perfect!!
Susanne Jellinek